Henry & Co.: Was bisher geschah....

Folge 1: Die Katastrophe
Folge 2: Die Rettung
Folge 3: Im neuen Zuhause
Folge 4: Bei der Weißkittel-Frau
Folge 5: Der Kaufkäfig
Folge 6: Der geölte Blitz
Folge 7: Schnipp-Schnapp
Folge 8: Die Privatzucht
Folge 9: Alle Seelen sind gleich groß
Folge 10: Der Eigenbau
Folge 11: Endlich vereint
Folge 12: Wie der Hund auf's Schwein kam

 

HENRY: Hallo Leute, hier bin ich wieder, euer Henry.

Ich wollte euch heute mal was über ein paar Erfahrungen erzählen, die man als frisch ge­backener Meerihalter scheinbar unweigerlich mit anderen Menschen machen muss. Sol­che Erfahrungen hat unsere Mama Kerstin natürlich auch machen müssen.

JANE: Oje, das hört sich nicht an als ginge es um positive Erfahrungen.

HENRY: Nein, nicht so wirklich. Deshalb wollte ich mal erzählen wie sich die Meer­schwein­chenhaltung auf menschliche Beziehungen auswirken kann.

TOFFEE: Erstaunt-MUIG. Wie könnten wir niedlichen, harmlosen kleinen Fellkugeln denn menschliche Beziehungen beeinflussen?

HENRY: Oh, indirekt können wir ganz schön was bewegen. Dazu muss man wissen wie die Menschen grundsätzlich so ticken.

CLARA: Jetzt bin ich gespannt.

HENRY: Also, Menschen müssen innerlich alles, was ihnen passiert, und jeden, der ih­nen begegnet, bewerten und in Kategorien einteilen, um sich im Leben zurecht­fin­den zu können. Dazu haben sie in sich ein System, das ist wie eine große Kommode mit vielen Schubladen. Immer zwei Schubladen gehören inhaltlich zusammen, da sind immer Gegensätze drin. Es gibt z.B. ein Schubladenpaar für "Männer" und "Frauen", eins für "Gut" und "Schlecht", eins für "Tierfreunde" und "Tierhasser" usw.

TOFFEE: Ach je, das hört sich schrecklich kompliziert an.

HENRY: Ja, aber die Menschen sind wahre Meister darin, alles blitzschnell in die Schubladen zu packen. Und alles passt in mehrere Schubladen. Eine Freundin kommt z.B. in  die Schubladen "Frau", "Freundin", "Gut" und "Tierfreundin". Und ganz glück­lich sind die Menschen nur, wenn der andere Mensch oder das Ding, das man gerade be­wertet, nur in positive Schubladen passt und keine negative dabei ist.

JANE: Passiert das denn jemals?

HENRY: Fast nie. Dazu gibt es viel zu viele Schubladen. Aber deshalb sind die Men­schen ja ganz selten mal einfach nur glücklich.

TOFFEE: Die Armen, mitleidig-MUIG. Dagegen geht es uns ja richtig gut.

HENRY: Die Kerstin hat sofort nach meinem Einzug ein neues Schubladenpaar be­schrif­tet mit "Meerschweinchen-Gernhaber" und "Meerschweinchen-Ablehner".

CLARA: Aah, ich beginne das Problem zu erahnen, das gleich kommt.

Clara

HENRY: Naja, von der Freundin von der Mama Kerstin, die unseren ersten Eigenbau als Stall bezeichnet hat, hab' ich ja schon erzählt. Die hatte Glück und blieb in der Schublade "Freundin", weil die Kerstin ihr nicht beweisen konnte, dass sie das böse ge­meint hat.

CLARA: Trotzdem ist es ganz schön dreist, unser Zuhause als Stall zu bezeichnen. Da­bei geben sich ganz viele Meerihalter wahnsinnig viel Mühe, für uns richtige Lu­xus­villen zu bauen. Die Kerstin baut ja auch ständig neue Möbel für uns.

JANE: Ja, wir leben hier eigentlich auch ganz nobel. Und jetzt haben wir dieses Jahr auch noch ein Feriendomizil im Grünen bekommen, draußen im Garten. Das können viele Men­schen nicht von sich behaupten.

CLARA: Die Leute trauen sich nur solche Sachen zu sagen, weil wir Schweinchen hei­ßen. Dabei sind wir mit Schweinen gar nicht verwandt.

JANE: Jedenfalls sind wir von den Schweinen ganz genau so weit weg wie die Men­schen auch. Und das ist ziemlich weit. Mit den Menschen sind wir viel näher ver­wandt als mit Schweinen.

TOFFEE: Warum nennt man uns dann Meerschweinchen?

JANE: So genau weiß man das gar nicht. Man vermutet ja, dass das davon kommt, dass wir von so weit weg übers Meer hierher gekommen sind und dass die Menschen ge­sagt haben, wir würden quieken wie kleine Schweine.

HENRY: Die Kerstin sagt, sie hat mal gelesen, dass man uns früher Möh­ren­schwein­chen nannte, weil wir die gerne essen, und dass die Menschen dann Jahrhunderte lang so genuschelt haben, dass daraus Möhrschweinchen und dann Meer­schwein­chen wurde.

TOFFEE: Dann möchte ich lieber ein Gurkenschweinchen sein, die mag ich noch lieber als Möhren.

HENRY: Ich fürchte, wir stehen schon als Meerschweinchen in so vielen Büchern, dass das Meer jetzt für immer an uns kleben bleibt. Schweinchen ist ja aber auch nicht so schmeichelhaft. Die Kerstin sagt, sie glaubt nicht, dass das vom Quieken kommt, sondern weil wir so viel Dreck machen und unser Haus immer aussieht wie ein Schweinestall, weil wir überall hinkötteln und so.


Henry

JANE: Ich weiß auch nicht, wie das immer kommt. Ich hab' mir schon oft vor­ge­nom­men, nur noch in eine bestimmte Ecke zu machen, aber wenn ich vorne esse, dann ver­gesse ich mein Hinterteil komplett und schon ist wieder alles einfach so raus­ge­pur­zelt. Oder ich bin gerade so weit weg von der Ecke, dass ich gar keine Lust habe so weit zu laufen.

CLARA: Und wenn ich schlafe, dann merke ich das gar nicht.

HENRY: Ich finde das auch gar nicht so schlimm. Jetzt heißen wir ja eh schon so und die Menschen würden uns auch nicht mehr umbenennen, wenn wir jetzt stubenrein wür­den. Jedenfalls hat die Kerstin erfahren müssen, dass es Menschen gibt, die noch ganz andere Sachen über uns sagen, da ist Schwein noch richtig nett.

TOFFEE: Wie kann man denn über uns was schlechtes sagen? Wir sind doch niedlich und nett und tun keinem was.

HENRY: Dachte ich auch immer. Aber dann kam mal eine Freundin von der Kerstin, die war ganz entsetzt als sie uns sah und sagte "Igitt, wieso hältst du dir diese schwanz­losen Ratten?"

CLARA: So eine Unverschämtheit, empört-MUIG!

TOFFEE: Genau, als könnten wir was dafür, dass wir keine Schwänze haben.

CLARA: Toffee, das ist doch gar nicht der Punkt! Sie hat uns RATTEN genannt! Das ist bei Menschen immer abwertend gemeint.

TOFFEE: Sind Ratten denn nicht nett?

HENRY: Keine Ahnung, ich kenne keine.

JANE: Doch, die sind auch nett. Nicht so nett wie wir Meerschweinchen, aber auch OK, wenn man sie persönlich kennen lernt. Jedenfalls die zahmen, die als Haustiere gehalten werden. Trotzdem kann man Meeris und Ratten nicht zusammen halten, das wäre viel zu gefährlich für uns.

CLARA: Ja, aber wenn die Menschen "Ratte" sagen, meinen sie sowas wie Ka­nal­rat­ten. Die sind nicht zahm und leben in Abwasserrohren, wo die Köttel von den Menschen durchgespült werden. Vor diesen Ratten haben die Menschen Angst, dass die bis zu ihrem Klo schwimmen und ihnen in die Hinterbacken beißen, während sie auf der Keramik sitzen. Und Ratten haben nun mal lange Schwänze.


Toffee

TOFFEE: Für was braucht man eigentlich so einen Schwanz?

CLARA: Gar nicht. Oder hast du schon mal einen vermisst?

TOFFEE: Nein, aber warum haben dann so viele Tiere einen?

HENRY: Also, Hunde wackeln damit, wenn sie sich freuen.

TOFFEE: Dazu brauch' ich keinen Schwanz. Ich freu' mich mehr im Gesicht.

CLARA: Pferde vertreiben damit Fliegen und Mücken.

TOFFEE: Das Problem hatte ich noch nie.

JANE: Ratten können damit balancieren, wenn sie über ein dünnes Seil laufen.

TOFFEE: Ich bleib' eh lieber auf dem Boden.

CLARA: Siehst du, sag ich doch. So ein Ding ist völlig überflüssig. Deshalb haben die am höchsten entwickelten Lebewesen ja auch keinen, nämlich wir und die Menschen.

TOFFEE: Also sind wir mit Ratten gar nicht verwandt?

JANE: Naja, schon ein bisschen, weil wir beides Nagetiere sind, aber Ratten gehören zu den "Mäuseartigen" und wir zu den "Meerschweinchenartigen", das ist ein großer Un­terschied. Und wir sind auch bei den Meerschweinchenartigen was ganz Be­son­de­res, weil da auch die meisten einen Schwanz haben, wir aber nicht.

HENRY: Also wenn man jetzt ganz genau sein will, dann haben wir schon so eine Art klei­nes Schwänzchen. Das tragen wir aber nicht außen, sondern innen.

CLARA: Ach?

HENRY: Ja, wir haben extra sieben Schwanzwirbel und noch einen Schwanzfortsatz. Die sind hinten am Ende der Wirbelsäule, aber das Schwänzchen guckt hinten nicht raus, so dass wir diese sexy runden Hinterteile haben.

TOFFEE: Echt? Staun-MUIG. Und wofür ist das gut?

HENRY: Es sieht viel besser aus. Man muss nicht überlegen, wo man das Baumelding hintut, wenn man sich setzen will und es kann einem auch nicht versehentlich jemand drauftreten. Und wenn der Schwanz innen ist, kann er auch nicht frieren, wenn es draußen kalt ist.

JANE: Bei Toffee sieht man genau, wo das Schwänzchen rauskäme, wenn sie eins hätte.

TOFFEE: Echt? Zu schade, dass ich mich nicht von hinten sehen kann. Bei euch sehe ich gar nichts.

CLARA: Jane hat zu langes Fell dafür. Das verdeckt alles.

TOFFEE: Dafür hat sie diesen schicken Po-Scheitel.


Jane

HENRY: Also, um mal auf die Schubladen zurück zu kommen: Die Kerstin hat die Rat­tenfrau aus der Schublade "Freundin" umgeparkt in eine Schublade, die heißt "Ex-Freunde". Und in die Schublade "Meerschweinchen-Ablehner" kam sie auch, damit die Kerstin auch später noch weiß, was der Grund dafür war. Und seitdem hab' ich die­se Rattenfrau auch nicht mehr gesehen. Ich glaub' nicht, dass die nochmal zu Besuch kommt.

CLARA: Na, wegen mir braucht sie nicht kommen. Der würde ich was erzählen! Giftig-MUIG!

HENRY: Und dann gibt es noch einen Nachbarn von einige Häuser weiter, der hat doch tatsächlich zur Mama Kerstin gesagt, er würde im Sommer eine schöne Grill­party machen, da sei sie herzlich eingeladen und uns soll sie dann mitbringen.

TOFFEE: Echt? Wir sind mit eingeladen? Ich war noch nie auf einer Grillparty. Macht das wohl Spaß?

JANE: Oh, Toffee... Seufz-MUIG.

CLARA: Nein, es macht keinen Spaß, wenn man als lecker Safthappen auf dem Grillrost vorgesehen ist!!! Empört-Fauch-MUIG!!!

TOFFEE: Iiiiiieeehhhh... Entsetzt-MUIG!

HENRY: Ich finde es schön, Toffee, dass du immer an das Gute glaubst und so gar keine schlechten Gedanken hast. Du hast ein gutes Herz und wenn alle wären wie du, wäre es bestimmt schöner auf der Welt. Aber mach' dir jetzt keine Sorgen. Die Mama Kerstin passt gut auf uns auf und würde nie zulassen, dass uns ein Haar gekrümmt wird. Und den bösen Nachbarn hat sie in ein paar sehr negative Schubladen gepackt.

CLARA: Ich hab' eine Idee. Die Kerstin geht zu der Grillparty und nimmt die Rattenfrau mit hin, dann können sie DIE dort grillen.

JANE: Du hast immer so alttestamentarische Ideen, aber diese hier finde ich gar nicht schlecht.

CLARA: Genau: Auge um Auge, Zahn um Zahn…

TOFFEE: …und Schwänzchen um Schwänzchen.

CLARA: Basta-MUIG!

HENRY: Und wir feiern jetzt hier erst mal eine Gurkenparty. Keeeeeeeerstiiiiiin…

KERSTIN-ZWEIBEIN: Du must nicht so schreien, es ist alles schon vorbereitet. Hier, deine Gurkenscheibe.

MÄDELS-CHOR: Wir auch, wir auch?!

KERSTIN-ZWEIBEIN: Klar, meine Süßen.

HENRY: Also tschüss dann, mjamm schmatz, bis nächste Woche…

..... Fortsetzung folgt nächste Woche Samstag....


 

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